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Hightech: An diesem Dämpfer lässt sich die Federvorspannung sowie die Druck- und Zugstufendämpfung per Drehknopf einstellen. Im Inneren des Dämpferzylinders befindet sich ein Ölbad, in dem sich der Kolben auf- und abbewegt und so für die nötige Druck- und Zugstufendämpfung sorgt.

Druckstufe, Zugstufe, Federbasis, Vorspannung, Losbrechmoment – immer mehr schwer verständliche Fachausdrücke sorgen in den Köpfen von Fully – Fahrern für Verwirrung. Besonders hochwertige Geräte besitzen meist eine Vielzahl an Knöpfen, Schrauben, Einstellrädchen und Ventilen zum individuellen Tuning des Fahrwerks. Wer ohne Vorwissen einfach drauf los schraubt, erlebt oft herbe Enttäuschungen. Ein schlecht eingestelltes Fahrwerk macht aus den Vorteilen des Fullys handfeste Nachteile. Meist machen Fullsuspension – Neulinge den Fehler, die Federung viel zu hart einzustellen. Folge: Vom erhofften Fahrkomfort ist nichts zu spüren, harte Schläge beim Downhill schießen genauso unbarmherzig ins Kreuz wie beim alten Hardtail. Das einzige, was man in diesem Fall von der neuen Wunderwaffe spürt, ist das höhere Gewicht.

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Das bewirkt die Vorspannung

Mehr Vorspannung ist nicht gleichbedeutend mit einer härteren Feder. Eine stark vorgespannte Feder verändert nichts an der Federcharakteristik, sondern verschlechtert nur das Ansprechverhalten. Muss man die Feder zu stark vorspannen, dann hilft nur eine härtere Spirale.

Im Grunde dreht sich beim Fahrwerkstuning alles um die Harmonie zwischen Federung und Dämpfung. Doch diese Begriffe werden häufig verwechselt. Wenden wir uns zunächst der Federung zu. Physikalisch betrachtet ist die Federung ein Energiespeicher. Stößt das Rad auf ein Hindernis, dann federt die Gabel (Federbein) ein. Das Federelement (Stahlfeder, Luft oder Elastomer) speichert den Stoß als so genannte potentielle Energie. Beim Ausfedern gibt es die gespeicherte Energie in Form von Bewegungsenergie wieder ab. Die Federung trennt die Gesamtmasse (Fahrzeug und Fahrer) in die gefederte Masse (Hauptrahmen und Fahrer) und die ungefederte Masse (Räder). Die ungefederte Masse soll der Bodenbeschaffenheit exakt und schnell folgen, die gefederte Masse soll möglichst wenig von den Schlägen abbekommen. Das bringt zwei entscheidende Vorteile. Erstens: Fahrkomfort, weil die Schläge nicht unmittelbar an den Fahrer weitergeleitet werden. Zweitens: Bessere Traktion, weil die Räder im rauen Gelände länger Bodenkontakt behalten. Besonders wichtig für die Traktion ist der Negativfederweg (englisch: Sag). Das ist der Teil des Hubs, um den die Federung schon beim Aufsitzen eintaucht. Ohne Sag könnte eine Federung zum Beispiel bei plötzlichen Schlaglöchern nicht in das Bodenloch hineinfedern. Für den Cross Country – Einsatz sollte der Sag vorne und hinten etwa 15 bis 20 Prozent des Gesamtfederweges betragen. Für den Freeride- und Downhill – Einsatz stellt man den hinteren Dämpfer aufgrund der starken Gewichtsverlagerung nach vorne mit einem Sag von bis zu 40 Prozent ein. Bei Stahlfederdämpfern (und Gabeln) reguliert man den Sag mit der Federhärte und der Vorspannung. Wichtig: Die Vorspannung dient nur der Feinjustage und ersetzt keinesfalls eine härtere Feder (siehe Grafik oben). Muss man die Vorspannungsschraube am Dämpfer für den korrekten Sag um mehr als fünf Umdrehungen zudrehen, dann braucht man dringend eine härtere Feder. Beim Kauf eines Fullys ist es unsere Aufgabe, die Federhärte zu überprüfen und die Spirale gegebenenfalls gegen eine härtere oder weichere zu tauschen. Bei Luftdämpfern ist die Sache einfacher: Hier gibt es keine Vorspannung, die Federhärte lässt sich stufenlos über den Luftdruck einstellen. Bei den meisten Federgabeln liegen die Einstellschrauben oder Ventile für die Vorspannung oberhalb der Gabelbrücke auf den Standrohren. Zur korrekten Einstellung des Sag muss man erst einmal den Federweg vorne und hinten genau ermitteln. Bei Luft – Federelementen ist dies eine einfache Sache, bei Federbeinen mit Stahlfedern wird’s schon schwieriger. Hier kommt man um ein paar Schrauber – Aktionen nicht herum.

Wie bereits erwähnt, ist eine Feder nichts anderes als ein Energiespeicher. Einmal in Bewegung, hat sie die Eigenschaften eines Flummies. In der Praxis heißt das: Mit der Federung alleine würde das Bike nach jedem Stoß etliche Male auf- und abschwingen, bis wieder Ruhe ins Fahrwerk kommt. Die unangenehmen Folgen kennt man von Autos mit defekten Stoßdämpfern: Das Fahrzeug schaukelt sich gefährlich auf, die Reifen verlieren Bodenkontakt und damit Traktion. Hier kommt die Dämpfung ins Spiel: Der Dämpfer bremst das aufschwingende Fahrwerk ab. Physikalisch gesehen wandelt der Dämpfer die Bewegungsenergie der Federung in Wärme um. Die Federbewegung teilt sich dabei in zwei Phasen, das Einfedern und das Ausfedern. Im Fachjargon spricht man beim Einfedern von Druckstufendämpfung und beim Ausfedern von Zugstufendämpfung. Die Druckstufendämpfung hat die Aufgabe, die Feder insofern zu unterstützen, dass das Fahrwerk nicht durchschlägt. Sie trägt also wenig zur besseren Traktion des Fahrwerks bei. Viel wichtiger hierfür ist die Zugstufendämpfung. Sie leistet den entscheidenden Beitrag für die Traktion und die Fahrsicherheit. Die Zugstufe soll das Rad nach einem Schlag am Boden halten. Ist die Zugstufe zu weich, dann verliert der Reifen Bodenkontakt, und das Bike schaukelt sich auf. Ist sie zu hart, dann kann das Fahrwerk besonders bei harten, schnellen Schlägen nicht schnell genug wieder ausfedern. Folge: Die Federung taucht immer weiter ein und verhärtet sich. Die optimale Dämpfungseinstellung für jedes Gelände und jeden Fahrertyp gibt es leider nicht. Probieren geht hier über studieren – und zwar auf einer exakt definierten Testrunde. Der Parcours sollte möglichst alle Geländeformationen aus dem wahren Leben enthalten: Kurze, schnelle Schläge in Form einer Waschbrettpiste oder einer Wurzelpassage, lang gezogene Bodenwellen, steile Bergab-Passagen mit anschließender Kompression, einen Schotterweg, einen Sprung. Zunächst stellt man alle Dämpfungs-Justierschrauben auf die weichste Stufe. Danach ist Fleißarbeit und etwas Kondition angesagt: Man durchfährt den Parcours mehrmals mit möglichst gleich bleibender Geschwindigkeit und versucht dabei, die Reaktionen des Fahrwerks zu erfühlen. Zwischen den Runden verändert man nach und nach die Dämpfung. Gehen Sie dabei Schritt für Schritt vor, also verändern Sie pro Runde immer nur eine Einstellung. Weiterhin wichtig: Federung und Dämpfung sollten vorne und hinten etwa gleichmäßig funktionieren. Also gleiche Vorspannung, und ähnliche Dämpfungsabstimmung. Viele Fahrwerksprobleme rühren von einem unausgewogenen Verhältnis zwischen Hinterbau und Federgabel. Bei der Einstellung der Dämpfung beginnen Sie am besten mit der Druckstufe: Sie dient ausschließlich dazu, die Feder zu unterstützen und Durchschläge zu verhindern. Je härter die Druckstufendämpfung, desto träger reagiert die Federung auf harte Schläge – der Fahrkomfort verschlechtert sich mit jeder Umdrehung des Einstellrädchens. Also gilt besonders für die Druckstufe: So weich wie möglich, so hart wie nötig. Wenn die Federhärte passt, reicht es meistens, das Einstellrad für die Druckstufe auf die weichste Stufe zu stellen. Und noch etwas: Das Fahrwerk ist dann korrekt eingestellt, wenn die Federung auf dem Testparcours genau einmal durchschlägt. Jetzt geht es an die Zugstufendämpfung. Eine probates Mittel zur Grobeinstellung: Man rollt im Sattel sitzend eine Bordsteinkante hinunter und zählt, wie oft das Fahrwerk nach dem Einfedern nachwippt. Wippt es wie ein Schaukelstuhl mehrmals auf und ab, dann ist die Zugstufe zu weich eingestellt. Drehen Sie die Einstellschraube so lange zu, bis die Federung genau einmal nachwippt. Die Feineinstellung erfolgt auf dem Testparcours nach dem Try – and – Error – Verfahren: Eine zu harte Zugstufe macht sich dadurch bemerkbar, dass die Federung den schnellen Schlägen der Waschbrettpiste nicht folgen kann. Das Fahrwerk sackt immer mehr ein, verliert an Federweg und wird unkomfortabel. Der umgekehrte Fall: Ist die Zugstufe zu weich, dann verhält sich das Fahrwerk bei langen Bodenwellen unruhig, durch die Spannkraft der Federn verlieren die Reifen Bodenkontakt. So nähert man sich Schritt für Schritt seinem persönlichen Lieblings-Setup.

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Obere Grafik: Hier ist die Zugstufendämpfung zu weich eingestellt. Die ungefederten Massen (Räder) können den Bodenunebenheiten zwar schnell genug folgen. Durch die geringe Dämpfung schaukelt sich das Fahrwerk allerdings auf, die Reifen verlieren Bodenkontakt und damit Traktion. Die gefederte Masse (Rahmen, Fahrer) schwingt unruhig auf und ab.

Untere Grafik: Hier ist die Dämpfung perfekt abgestimmt. Die Reifen folgen den Schlägen präzise und kleben auch danach förmlich am Boden. Das Fahrwerk wippt nicht nach, und der Fahrer bleibt weitgehend verschont von unnötigen Schlägen.

Dämpferaufbau

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Blick in einen Stahlfeder – Dämpfer: Durch Wechseln der Shims verändert der Profi die Abstimmung des Federbeins.

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Blick in einen Luft – Dämpfer